Im
Zeichen des Kreuzes
Für
ein paar Tage sind wir, eine Gruppe Jugendlicher und
Erwachsener, mit Fahrrädern in Mecklenburg unterwegs.
Es ist Sommer und über uns strahlt der blaue Himmel.
Sobald wir in einem Dorf ankommen, in dem eine Kirche
steht, zieht es uns dort hin.
Eines
Abends erreichen wir einen abgelegenen Pfarrhof. Kaum
haben wir unsere Räder abgestellt, sehen wir auch die
alte Dorfkirche, deren verwitterte Tür offen steht.
Erwartungsvoll betreten wir den stillen Raum. Vor dem
Altar kommen wir zusammen, schauen auf die Bilder und
Skulpturen, schauen auf das Kreuz in der Mitte. Es
braucht eine Zeit, ehe wir unseren Gedanken Worte
geben.
Dabei
kommen uns auch Kreuzesdarstellungen aus anderen
Kirchen in Erinnerung.
Das
Kreuz spricht nicht nur vom Tod Jesu, sondern auch von
uns Menschen, von Verrat und Verleugnung, von
Verspottung und Gewalt, von Hass und Neid, von
Verlassensein und Finsternis. Abgründe werden sichtbar
und verdichten sich.
Das
Kreuz sagt uns: Schaut nicht weg. Verdrängt nicht, was
unter euch aufbricht, all das Unrecht, die
Aggressionen und die Gleichgültigkeit, der Umgang mit
den Wehrlosen, mit denen, die auf Hilfe und Schutz
angewiesen sind.
Das
Kreuz spricht aber auch von Ohnmacht, von Schmerz und
Trauer bei denen, die in ihrer Liebe zum Gekreuzigten
ganz nahe bei ihm bleiben. Nichts können sie für ihn
tun, vollkommen hilflos stehen sie da und weinen, aber
es ist ihnen auch unmöglich, von ihm zu gehen.
Den
ersten Frauen und Männern, die sich zu Christus
bekannten, fiel es schwer, im Kreuz das Symbol für
ihren Glaubens zu sehen. So gaben sie sich zunächst
durch andere Zeichen zu erkennen.
Doch im Laufe der Jahrhunderte wurde das Kreuz zum
allgemein anerkanntem christlichen Symbol.
Schon
im Johannesevangelium ist das Kreuz nicht nur das
Zeichen für das Sterben und den Tod Jesu. Für den
Evangelisten ist es vielmehr das Zeichen des Sieges
über den Tod und das Zeichen der Verherrlichung.
Johannes sieht den Weg Jesu bis hin nach Golgatha von
Ostern her, sieht das Kreuz im Licht der Auferstehung.
In diesem Licht verändert sich alles. Das Kreuz, das
auch immer ein Zeichen des Fluchs war, wird in das
Zeichen der Versöhnung mit Gott verwandelt. Inmitten
unserer Wirklichkeit geschieht das Unbegreifliche. Und
es geschieht für uns und fragt uns zugleich nach
unserem Vertrauen. Denn allein in diesem Vertrauen
leuchtet das Licht des Auferstandenen auf.
Und
wir selbst sehen uns mehr und mehr mitgenommen auf
seinem Weg, wie er in den Evangelien beschrieben ist.
Das Kreuz kommt dabei immer wieder in den Blick, das
letztlich nicht als Zeichen des Todes, sondern des
Lebens erkannt wird.
Eine
besinnliche Passionszeit und frohe Ostern wünscht
Ihnen Ihr
Pastor
Jürgen Meister
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